Der Name Kramarz

Historische Abbildung eines Krämers

Familie Kramarz aus Bolatitz (Oberschlesien)

Die folgenden Inhalte stammen grösstenteils aus unserer Familienchronik
(Robert Samulski: «Die Familie Kramarz aus Bolatitz (Oberschlesien)», 1958)
Die Familie, der wir angehören, läßt sich (vorwiegend durch die gesammelten Kirchenbuch-Einträge) bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen, wo sie als bäuerliche und gärtnerliche Familie im Dorf Bolatitz im Hultschiner Ländchen (früher Kreis Ratibor, Oberschlesien, 1918–1938 und seit 1945 Bolatice, Bezirk Kravaře, Tschechoslowakei) ansässig war. Der Name Kramarz ist slawischen Ursprungs (gemeinsame Wurzel mit dem deutschen Worte Kram, wohl Lehnwort von diesem) und bedeutet sowohl im Polnischen als auch im Tschechischen so viel wie das deutsche Wort Krämer. Als von der Berufsbezeichnung (siehe auch Berufe und Stände) übernommener Familienname wird er sicherlich vielerorts gebraucht worden sein.

Heraldische Geldmacherei

Die um die Jahrhundertwende 1900 aufgetauchte Ansicht, daß unsere Familie früher adelig gewesen und mit dem in Schlesien, Böhmen und Mähren ansässig gewesenen Adelsgeschlecht der Krawarz (Krawarski) identisch sei, geht auf die Falschnachricht eines heraldischen Lügeninstituts, die völlig haltlos ist, zurück. Daher kommt auch das Wappen des erwähnten Adelsgeschlechtes (ein silbernes Wurfeisen im roten Schild) für unsere Familie nicht in Betracht.

Wirklich Adlige

Es gibt auch adelige Kramarz. So wird z. B. ein Freiherr Karl von Kramarz (Kramař) erwähnt, dem am 23.XII.1781 (Wien) erlaubt wird, die Tochter des Troppauer Stadtrichters Kunzel, Elisabeth Aloisia [1], adoptieren zu dürfen [2] und am 20.II.1917 wird der Oberst i. R. Julius Kramar unter dem Namen «Edler von Tarnawa» in den österreichischen Adelsstand [3] erhoben. Doch besteht mit diesem kein Zusammenhang mit unserer Familie.

Historische, belegte Beispiele von Personen namens Kramarz im schlesischen Raum

Name Hinweis zu dieser Person:
Nikol. Kramars Nebst Nikol. Kramars (zwischen 1464 u. 1494) werden im «Mitgliederverzeichnis der Liebfrauengilde in Ratibor» [4] auch weitere, ähnlich klingende Namen wie Petr. Krwarski, Anna Krawarskin und eine Dorothea Kramarczikin in «Rattib.» erwähnt. Mit dem angegebenen Datum († 6. 1. 1736) allerdings deutlich später als der Erstgenannte.
Severin Kramarz 1488 wurde eine Inkunabel (Biblia bohemica) und zwar zum ersten Male in der Nationalsprache auf Kosten u. a. von Johannes Pytlik und Severin Kramarz finanziert. Siehe auch ergänzende Hinweise mit Bild weiter unten.
Peter Kramarß Fischer in Trachenberg (Schlesien), am 16.10.1600 in der Trachenberger Kirchenrechnung erwähnt (1601 wird derelbe Mann Peter Kramer genannt).
Vincentius Kramarz Ordensgeistlicher, Dominikaner, Lektor der Theologie u. Festtagsprediger in Troppau, von dem 1736 eine am 27. IV. 1736 gehaltene Rede «Clarus sine errore lusus» gedruckt wurde (vorhanden in der Breslauer Stadtbibliothek).
Georg Kramarczyk (1794 Georg Kraemmer genannt) aus Ratibor, 1789-1794 Schüler der Raudener Zisterzienserschule, wird später unter dem Ordensnamen Siegfried Paulinermönch in Czenstochau (Schulmatrikel Rauden O/S).
Josef Kramarczyk aus Ratibor, 1803-1804 Schüler der Raudener Zisterzienserschule (Raudener Schulmatrikel).
Josef Kramarczik geb. Ratibor 1809, war 1881 Direktor des Gymnasiums Heiligenstadt (A. Weltzel, Geschichte der Stadt Ratibor O/S, 2. Aufl. 1881, S. 482). Er war anscheinend der als Verfasser eines im Heimatblatt «Der Ratiborer» (Jg. 5, Lengerich 1958, Nr. 51, S. 3 zur Hochzeit seiner Schwester Aloysia Kramarczik († Ratibor 1876) am 21. Juni 1825 in Ratibor mit dem Schmiedemeister Bernhard Lachmann († Ratibor 1876) abgedruckten Festgedichtes erwähnte Gymnasiast Josef Kramarczik.
Franz Kramarczyk geb. Sudol bei Ratibor am 12. IV. 1816, zum Priester geweiht am 15. IV. 1843, Pfarrer in Pawonkau und Lubetzko, gest. am 8. I. 1861 (A. Weltzel, Geschichte des Ratiborer Archipresbyteriats, 2. Aufl. 1896, S. 619).

Hinweise auf den Familiennamen Kramarz aus den Jahren 1613/1614 finden sich auch in den Urbaren von Oberschlesien. Trotz gleichen Familiennamens bleibt aber eher unwahrscheinlich, dass die hier und auch unter den Urbaren genannten Personen in direkter Verwandtschaft zu unserer Familie Kramarz aus Bolatitz standen.

Auszug aus 1488 gedruckter Inkunabel des Mit-Financier Serverin Kramarz
1488 wurde eine Inkunabel (Biblia bohemiea) auf Kosten u. a. von Johannes Pytlik und Severin Kramarz gedruckt. So geht es aus dem «Centralbl. f. Bibliothekswesen», XVI, 1899, 126. hervor.
Anmerkung zur Quelle aus dem Jahr 1899:
Nebst dem in der Familienchronik erwähnten Verweis auf das «Centralbl(att) f(ür) Bibliothekswesen» wurde die Angabe zu Severin Kramarz (u. a.) auch im Buch «Geschichte der Buchdruckerkunst in ihrer Entstehung und Ausbildung (1840)», Falkenstein, Constantin Karl, 1801–1855, bei der Bayerischen StaatsBibliothek BSB gefunden, dort auf der Seite 217, bzw. Seite 381 dieses Dokuments.
Text oben, ab Zeile 4: «Ausser den böhmischen Psaltern von 1487 sind besonders noch Aesop’s Fabeln in slawischer Mundart von 1487 oder 1488, die zum ersten Male in der Nationalsprache erschienene Bibel von 1488, wo Johann Pitlick, Severin Kramarz, Johann von Störchen (od’ ćapuow) und Matthias vom weißen Löwen (od’ bjleholwa) als Unternehmer, ob Verleger ober Drucker ist unbestimmt, genannt werden, die …»

«Neuere Abhandlungen der k. Böhmischen Gesell­schaft der Wissen­schaften – Seite 217 über Severin Kramarz».jpg
Titelseite «Neuere Abhand­lungen der k. Böhmischen Gesell­schaft der Wissen­schaften – Zweyter Band – Mit Kupfern – von J. G. Calve –Prag 1795».jpg
Nachtrag Februar 2024:
Diese Information zeigt sich zusätzlich belegt durch eine Fundstelle im Werk unter dem Titel «Neuere Abhand­lungen der k.[5] Böhmischen Gesell­schaft der Wissen­chaften – Zweyter Band – Mit Kupfern – von J. G. Calve – Prag 1795» und dort auf Seite 217, auf welcher ebenfalls die Beteiligung von Severin Kramarz am Druck einer Bibel dokumentiert ist. Hier allerdings «bereits» im Jahre 1795 erwähnt. Zu finden auch bei Google Books. Die Transkription der oben abgebildeten Texte findet sich in dieser PDF-Datei.

Aus der Familienchronik

«Unsere Familie Kramarz erscheint, soweit z. Z. feststellbar, erstmalig am 29.X.1719, wo in Bolatitz (Bolatice, Hultschiner Ländchen) der Witwer Mateus Kramarczik mit der Jungfrau Katerzina getraut wurde. Als Name erscheint weiterhin Kramarczik, Kramarczyk und Kramartzik. Diese Form hält sich ungefähr bis 1780. Daneben erscheint seit ungefähr 1755 die gleiche Familie auch unter dem Namen Kramarz, bis mit der Zeit diese Form die ursprüngliche verdrängt und allein bestehen bleibt. So wird z. B. noch der Großvater des Ferdinand Kramarz: Franz, geb. 1776, als Kramarczik getauft, während der Urgroßvater des Ferdinand Kramarz: Matthes, gest. 1810, als Kramarz begraben wird.
Nach dem gegenwärtigen, natürlich lückenhaften Material ergeben sich folgende drei Linien der aus Bolatitz stammenden Familie Kramarz. Zur Zeit lassen sich Verbindungen der Nikolaus-Linie und der Peter-Paul-Linie mit der Matthäus (Matthias)-Linie noch nicht belegen. Angesichts der Tatsache, dass alle drei aus demselben Dorf, das 1900 etwa 2'100 und um 1939 rund 2'300 Einwohner zählte, stammten, ist eine Verwandtschaft als sicher anzunehmen. Wahrscheinlich stammen sie von der Matthäus (Matthias)-Linie ab, und zwar von den Stämmen, Ästen und Zweigen, die noch nicht vollständig zusammengestellt werden konnten.»
Zitat: Robert Samulski
Anmerkung: Laut Angaben in den heutigen Datenbeständen lebte der ebenfalls in Bolatitz geborene Matheus (Matthias, Mateg, Mathieu) Kramarczik (Kramarz), belegt durch mehrere Kirchenbuch-Einträge, von 1687 bis am 24.12.1750.

Herkunft des Namens Kramarz

Die folgenden Informationen waren im Internet zu finden und scheinen zumindest sehr plausibel als Erklärung für die ursprüngliche Herkunft des Familiennamens Kramarz. Verbrieft ist dies allerdings nicht.

Planwagen

«Der Kramer/Krämer hatte ursprünglich nur "einen Kram" – eine Krambude oder einen Kramladen. Kram hiess auch die Plane, die der Händler über seinen Wagen spannte. Somit war er Kleinkaufmann, aber auch Hausierer. Das Wort "Kram" kommt aus dem Mittelhochdeutschen und meint die "Zeltdecke" aber auch "Bude" und "Ware". Zunächst war damit also eine Stoffüberdachung gemeint, unter der die Marktgeschäfte stattfanden. Erst später übertrug sich die Wortbedeutung auf die Ware selbst.

Weitere Varianten zu diesem Namen sind: Krähmer, Krahmer, Krammer, Kramarz, Kramarsch, Kramař (kleines «v» über dem «r», sog. Hatschek [6], vergleiche auch die Aussprache des Komponistennamen Dvořak: «Dvorschak»), Kramarczyk, Kramartzik, Kramski, Kramsky.»

Quelle: Namensdeutung vormals auf neuhausweb.de gefunden.

Angaben zum Familiennamen bei PolishRoots
© 1998 W. F. Hoffman
«Der Unterschied zwischen Kramarz und Kramasz besteht in der Schreibweise. Auf polnisch klingt "rz" üblicherweise wie das "s" in "measure" und "sz" (ß) klingt wie "sh" in "ship"; aber das "rz" am Wortende ist "entstimmlicht", wie Linguisten sagen, und klingt wie das "sz" (ß). Also wurde Kramarz und Kramasz genau gleich ausgesprochen und daher konnte der Name so oder so geschrieben werden. Jedoch kannten die meisten Polen die "korrekte" Form Kramarz und buchstabierten sie auch so. So gab es 1990 über 1'950 polnische Bürger namens Kramarz und nur 19 namens Kramasz.»

Quelle: Polish Roots, auszugsweise übersetzt. All rights reserved. Used by permission.


Beschreibung Aller Stände

Abb. 'Eygentliche Beschreibung Aller Stände auff E rden' von Hans Sachs, 1568
© Amman/Sachs – Wikimedia
Als weitere Quelle für die Erklärung der Namensherkunft mag auch das Werk «
Eygentliche Beschreibung Aller Stände auff Erden / Hoher und Nidriger / Geistlicher und Weltlicher / Aller Künsten / Handwercken und Händeln / u. vom größten bis zum kleinesten / Auch von irem Ursprung / Erfindung und gebreuchen» vom Nürnberger Spruchdichter Hans Sachs (1494–1576) aus dem Jahr 1568 gelten. Hans Sachs schrieb über 6’000 Stücke unterschiedlicher Natur, davon mehr als 4’000 Meistergesängen. Exakte Angaben variieren je nach Sekundärliteratur stark, hauptsächlich weil es nicht immer klar ist, ob es sich um ein Einzelwerk oder um eines in größerem Kontext handelt. Auch ist der Vergleich der Quellen schwierig, da Werke durch verschiedene Autoren in verschiedene Kategorien eingeordnet werden, bzw. wurden.

Abbild Hans Sachs,w 1545, 51-jährig
© M. Osten­dorfer Wikimedia
Hans Sachs schrieb auf Seite 77 in seinem 246 Seiten starken Werk «Mit Röm. Keys. Maiest. Freyheit. Gedruckt zu Franckfurt am Mayn.» im Jahr 1568 (Bild rechte Seite) über den Beruf des Krämers das Folgende:

450 Jahre Sprachentwicklung

Historische Abbildung eines Krämers mit seinem Bauchladen, nach Hans Sachs
© digital.slub-dresdendigital.slub-dresden
Die Bedeutung des Textes ...

Ich bin ein Krämer lange jar/
Kompt/und kaufft hie mancherley Wahr/
Als Bruch/Pfeiffen/und Schlötterlein/
Item/Würz/Zucker und Brentn Wein/
Spiegel/Schelln/Käm/nadl uñ Harbãt/
Leckkuchn/Nestel und Brillen gnannt/
Die Krämerey mancherley Wahrn/
Erfand lieber Pater vor jarn.

... zu verstehen, bedarf schon einiger Gedanken. Dies zumindest in unserer Zeit, da sich die Sprache doch nun während etwa 450 Jahren entwickelt und verändert hat. Denn, ob z. B. mit «Bruch» ev. eine Süssig­keit wie Waffel­bruch gemeint ist oder ob es sich eher — und auch dies ist dem Lexikon der Brüder Grimm entnommen — um eine Jagd-Trophäe handeln könnte, das ist nicht klar. Und «Schlöt­ter­lein» ist nach demselben Lexikon ein Kinder­spielzeug. «Item» indes ist lateinisch und steht für «ebenso, ebenfalls, auch, dergleichen». Ob mit «Harbat» vielleicht ein Haarbad, also unser Shampoo, gemeint sein könnte? Das würde jedenfalls mit Kamm und Nadel zusammenpassen. Denn das mittel­hoch­deutsche Wort für Haar ist «har». Bei «Nestel» können die Brüder Grimm wieder helfen: Hierbei handelt es sich um Schnür­senkel.

Fussnoten
  • [1] Bei der Zusammenstellung sämtlicher Daten wurde grösstes Gewicht nicht nur auf die Korrektheit der Informationen gelegt, sondern nach Möglichkeit auch die Quelle auf ihre Richtigkeit hin überprüft. Gerade auf dieser Seite zeigt nur schon ein Vorname, die Problematik dieser Aufabenstellung. So wurde beispielsweise in unserer Familienchronik (nur mit Login abrufbar) der Name der «Tochter des Troppauer Stadtrichters Kunzel, mit Elisabeth Aloysia» angegeben. In der Quelle wiederum, welcher diese Information entnommen wurde, steht der Vorname mit «i» anstatt mit «y», also «Elisabeth Aloisia» geschrieben. Bei der Frage der Wahl, welche Variante zu berücksichtigen sei, ist bei einem Buchstaben sicherlich müssig. Solche Abweichungen sind aber auch bei bedeutenderen Angaben aller Art zu finden.
  • [2] A. v. Doerr (August Joseph (seit 1896 von) Doerr), «Der Adel der böhmischen Kronländer, 1900. S. 261.
    Vollständig lautet die Überschrift: «DER ADEL DER BÖHMISCHEN KRONLÄNDER. EIN VERZEICHNISS DERJENIGEN WAPPENBRIEFE UND ADELSDIPLOME WELCHE IN DEN BÖHMISCHEN SAALBÜCHERN DES ADELSARCHIVES IM K. K. MINISTERIUM DES INNERN IN WIEN EINGETRAGEN SIND.» — EXCERPIRT VON AUGUST von DOERR. PRAG. VERLAG VON FR. ŘIVNÁČ. 1900.
  • [3] K. F. v. Frank zu Döfering, Alt-Österreichisches Adelslexikon, Bd I: 1823–1918, 1928. S 155. Eigentlich Karl Friedrich von Frank bzw. «Karl Friedrich von Frank zu Döfering».
  • [4] Abgedruckt bei H. Schaffer, Geschichte einer schlesischen Liebfrauengilde seit dem Jahre 1341, Ratibor 1883, S. XIII, XIV, XXXIII, XXXV
  • [5] Das kleine «k» steht hier für «königlich»
  • [6] Im Tschechischen bezeichnen Substantive, endend auf -ař (in der tschechischen Schreibweise mit dem Zeichen «Haček», auch «Caron» genannt) häufig Berufe, wie die folgenden Beispiele zeigen: Kramař: Krämer; Lekař: Arzt ... Im Polnischen ist es ähnlich, dann aber ohne «Haček».
    (Hinweis mit freundlicher Genehmigung von Martin Nawrath.)